Diagnose
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Warum ist CFS so schwer zu diagnostizieren
Betroffene haben oft eine Vielzahl von Arztbesuchen hinter sich, die CFS bzw. ME nicht diagnostizieren konnten. Dementsprechend auch keine Behandlung eingeleitet haben, die die Erkrankung heilt. Das liegt daran, dass CFS sehr schwer zu diagnostizieren ist. Ob die
Fatiguesymptomatik auch schon das Ausmass erreicht hat, dass man von einem chronischen Fatiguesyndrom sprechen kann, können Sie auch hier überprüfen. Dabei kommt es neben den inhaltlichen Fragen hauptsächlich darauf an, ob für Sie das Zeitkriterium von 6 Monaten Dauer der Symptome schon gilt.
Einen ersten Hinweis kann Ihnen hier der Test nach den Kanadischen Kriterien geben. Dies ist aber Letztlich nur eine Aufzählung von beobachteten Symptomen. Eine Diagnose im ärztlichen Sinne kann nur ein erfahrener Arzt durchführen.
In der Forschungsliteratur gibt es schon einige Hinweise auf Biomarker für CFS. Ein solches Forschungsprojekt führen wir in unserem Institut durch. Neueste Informationen finden Sie unter Biomarker Forschungsprojekt.
Probleme im Umgang mit Gutachtersituationen
Bei CFS Erkrankten finden sich in den meist vielfältigen Vorbefunden dabei typischerweise keine richtungsweisenden somatischen (körperlichen) Befunde, vielmehr oft die Äußerung des Verdachts der psychischen Überlagerung bzw. die Verdachtsdiagnose einer Somatisierungsstörung oder einer Depressiven Episode. Das Problem derzeit ist, dass die gutachterlichen Untersuchung üblicherweise als reine Querschnittsuntersuchung oder nur durch Sichtung der Vorbefunde durchgeführt wird. Dadurch finden sich keine richtungsweisenden Befunde. Die neuropsychologischen Tests erbringen meist durchschnittliche bis leicht unterdurchschnittliche Bewertungen.
Aus dieser Faktenlage wird dann rückgeschlossen, dass die CFS Betroffenen eigentlich leistungsfähig sein müssen zu mindestens dann bis zu 6 Stunden täglich. Wenn überhaupt wird ihnen eine Beeinträchtigung aus psychischen Gründen zugestanden.
Bei diesen Begutachtungen ohne Vorkenntnis des Krankheitsbildes CFS/ME wird übersehen, dass die üblichen statischen Festlegungen der Belastbarkeit der Situation des Betroffenen nicht gerecht werden können. Entscheidende Bedeutung für eine angemessene Bewertung der Leistungsfähigkeit CFS-Kranker kommt der krankheitstypischen Gegebenheit zu, dass das individuelle Beschwerdebild oft innerhalb kürzester Zeit extremen Schwankungen unterliegt. Hier handelt es sich um Leistungsgrenzen, die zum einen nicht berücksichtigen, in welchem Umfeld die Person handelt und zum anderen ungeeignet sind, für kurzfristig, ohne erkennbare Ursache stark schwankende Symptomenkomplexe adäquate Begrenzungen zu definieren.
Das Beschwerdebild unterliegt oft innerhalb kürzester Zeit extremen Schwankungen
Das grundsätzliche Dilemma bei der Erkrankung „Chronisches Fatigue Syndrom / Myelitische EnzephaLomyeLitits (CFS/ME) ist, dass die Probanden in kurzen Zeitabschnitten in der Lage sind, annähernd normale Leistungen abzurufen. Durch das Abrufen von Leistung, sowohl kognitiver als auch körperlicher/muskulärer Art werden die Systemressourcen so erschöpft, dass darauffolgend eine nachhaltige Phase der Erschöpfung von z.T. mehr als 24 Stunden, je nach Anstrengung auch mehrere Tage, eintritt, in der die vorherigen Leistungen nicht mehr abrufbar sind.
Diese Funktionsbeeinträchtigungen und Leistungseinbußen können in der üblichen Querschnittsbeurteilung bei CFS/ME Erkrankten systematisch nicht wahrgenommen bzw. erfasst werden. Gutachterliche Stellungnahme, die diesen Umstand nicht explizit berücksichtigen kommen daher zu systematisch fehlerhaften Ergebnissen.
Ursache dafür ist, dass Ärzte, die nicht mit der Erkrankung CFS vertraut sind, die vielfältigen Beschwerden aus den Vorbefunden dahingehend fehlinterpretieren, dass sie die Symptomatik eher einer Somatisierungsstörung oder depressiven Erkrankung zuordnen, die beide dieses Phänomen der nachhaltigen Erschöpfung nach Belastung und damit der fehlenden regelhaften Abrufbarkeit der Leistungen nicht aufweisen. Bei diesen beiden psychischen Differentialdiagnosen schließt ein Gutachter zu Recht von dem Eindruck in der Gutachtersituation auf eine Leistungsfähigkeit im Alltag. Bei CFS Erkrankten wird von Gutachtern immer wieder vorgebracht, dass die Betroffenen entweder die Beschwerden aggravieren oder sich willentlich zu wenig in den Prüfungsaufgaben anstrengen. Die pauschalste Kritik ist dann die Behauptung, dass das Krankheitsbild CFS wissenschaftlich nicht bewiesen und eine Außenseitermeinung sei. Das spricht nur für Unkenntnis oder mangelnde Auseinandersetzung mit der überwiegend internationalen wissenschaftlichen Literatur.
Anpassung von Diagnoserichtlinien an neue Forschungserkenntnisse
Seit 1994 (Fukuda) werden Diagnoserichtlinien entwickelt und weiter der Entwicklung der Forschungserkenntnisse angepasst. Die Erkrankung wurde folgerichtig in die Internationale Klassifikation für Diagnosen unter der Rubrik „Neurologische Erkrankungen” aufgenommen. Mittlerweile auch in Deutschland führt die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin in Ihren aktuellen DEGAM-Leitlinien „Müdigkeit” aus, dass das streng definierte Chronische Erschöpfungssyndrom (CFS) bzw. chronische Erschöpfungssyndrom ein seltenes Beratungsergebnis sei.
Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren dienten lediglich dem Ausschluss anderer Erkrankungen, da ein definitiver diagnostischer Test nicht existiere, so dass entsprechende Untersuchungen außer dem Nachweis von Komorbiditäten keine Hinweise zur Ursache oder Therapie des Krankheitsbildes CFS vermitteln könnten.
Es ist somit beim derzeitigen Stand des medizinischen Wissens keinesfalls eine Frage der Auswahl hochdifferenzierter Testverfahren, den Nachweis der Erkrankung und Hinweise auf die durch sie bedingten Behinderungen, insbesondere der beruflichen Leistungsfähigkeit bzw. Erwerbsfähigkeit zu erbringen, sondern die Diagnose stützt sich auf die wissenschaftlich ausgearbeiteten Interviews und der Plausibilitätsprüfung der Schilderungen des Krankheitsverlaufs. Wenn der Verdacht auf eine CFS/ME Erkrankung besteht, muss dieses Phänomen der nachhaltigen Erschöpfung und fehlenden Abrufbarkeit und damit Planbarkeit der Leistungen, das Leitsymptom der Diagnostik ist, berücksichtigt werden.
Insofern bestimmt eine bestimmte Voreinstellung des Gutachters zur Existenz oder medizinischen Glaubwürdigkeit der CFS/ME Erkrankung sein Beurteilungsergebnis.
Eine von der obersten amerikanischen Gesundheitsbehörde (CDC Centers for Disease Control and Prevention) eingesetzte Kommission war beauftragt worden, die Diagnosestellung und die Spezifität der Erkrankung in Abgrenzung zu psychischen und neurologischen Erkrankungen zu überprüfen. Diese Kommission kam zu dem Ergebnis, dass CFS keine originär psychische Störung ist, auch den Begriff Myalgic Encephalomyelitis findet sie missverständlich, da der Begriff Enzephalomyelitis eine Hirnhautentzündung, die aber mit den üblichen Methoden der
CCT und MRT-Kopf nicht nachzuweisen sei, und der Begriff Myalgia (Muskelschmerzen) zwar vorhanden, aber nicht das Kernsymptom sei, nahelege. Vielmehr kommt das Gremium nach Sichtung sämtlicher Forschungsbefunde zu diesem Thema zu dem Schluss, dass die beklagte Kernsymptomatik auf ein Versagen der Signalübertragungsstrukturen, ob nerval, hormonell und immunologisch, hindeute. Nur so sei auch die massive Einschränkung in der Leistungsfähigkeit und besonders in der Wiederholbarkeit und dauerhaft abrufbarer Leistungsfähigkeit zu erklären.
Diese Überlastung des körperlichen „Informationssystems” physisch, kognitiv und emotional beeinträchtigt erkrankte Personen in allen Organsystemen (eine Grundlage der Diagnose) und in allen Aspekten ihres Lebens.
Die Kommission schlägt daher eine neue den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen adäquatere Namensgebung vor: Systemische Belastungsintoleranzerkrankung (SEID Systemic exertion intolerance disease).